Gründonnerstag 1945: Flucht aus Harkau

Nachdem sich Ungarn zunächst neutral im Zweiten Weltkrieg verhalten hatte, verbündete sich 1941 die Regierung unter Miklas Horthy mit der Wehrmacht. Daraufhin folgten 1943 Kriegserklärungen an die USA und die Sowjetunion.

1944 begann die russische Armee die besetzten Gebiete zurück zu erobern und drang in ungarisches Gebiet vor. Neben der Hauptstadt Budapest war ein weiteres strategisches Ziel Wien. Da die Kriegsführung hierbei neben dem Weg über die Tschecheslowakei auch auf eine Route über Ungarn setzte, passierten die Truppen bald grenznahe Orte wie Harkau.

Als die Kampfhandlungen immer näher rückten war dort im Frühjahr 1945 zum ersten Mal die Rede von einem „Einfall der Russen“. Von Panik, Angst und der deutschen Propaganda getrieben verließ die Hälfte der Einwohner (auf Grund des Fronteinsatzes der Männer bestand dieser hauptsächlich aus Frauen, Kindern und Alten) am frühen Morgen des Gründonnerstags 1945 das Dorf Richtung Oberösterreich.

Der ehemalige Bewohner Heinz Reitter erinnert sich auf seiner Webseite:

Am Gründonnerstag 1945, ein Jahr vor der Vertreibung der Harkauer endete schon die Jahrhunderte alte Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit unseres Dorfes Harkau. Die Hälfte der Bewohner unseres Dorfes hatten sich entschlossen ihr Dorf, ihre Heimat zu verlassen. An diesen Gründonnerstag in den frühen Morgenstunden verließ ein langer Zug von Wagen, mit Kühen bespannt und mit den Notwendigsten beladen das Dorf.

Diesem Trek, bestehend aus einem langen Zug von Viehwagen, schlossen sich auch meinen Großmutter Luise, ihre Mutter Maria und ihr Bruder Mathias an.

Da sie nur das Notwendigste mitnehmen konnten und Hoffnungen auf eine Rückkehr hegten, vergrub Oma in der Nacht zuvor den Familienschmuck in einem nahe gelegenen Wald.

Auf der Flucht vor der russischen Armee vergräbt Luise den Familienschmuck im Wald

Luise vergräbt den Familienschmuck im Wald

So lautet zumindest die Erzählung – denn wie bei so vielen undokumentierten Geschehnissen jener Zeit lagen mir bei meiner Recherche eben zum Teil auch „nur“ Erzählungen vor. Ob diese Geschichte demnach zu 100% wahr ist, kann ich nicht bestätigen. Das Vorgehen Wertgegenstände im Wald zu vergraben war jedoch damals bei Kriegsflüchtlingen nicht unüblich.


Quellen:
Andreas Schindler: Harkau – mein Heimatdorf. Privatdruck, 1987
https://www.harkaumeindorfmeineheimat.de/die-vertreibung.html